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„Muse abused?!“ Essay von Das Fräulein Fuchs und Alexander Platz

„Muse abused?!“ Essay von Das Fräulein Fuchs und Alexander Platz
(Werbung wegen Namensnennung)

 

Ein Essay von Alexander Platz und „Das Fräulein Fuchs“ (Im weiteren Verlauf Fuchs genannt)„Musen“ sind für Künstler und deren Publikum seit jeher Inspirationsquelle und Mythos zugleich.
Aber sind sie nur Objekte oder eigenständige Künstlerinnen?
Haben sie ein Mitspracherecht am Schaffensprozess, ein Urheberrecht oder Rechte an der Verwertung?

Einleitung

Vor kurzem las ich in der New York Times ein Interview von KaoRi, einer japanischen Künstlerin und Tänzerin, über ihre sechzehnjährige Zusammenarbeit mit Nobuyoshi Araki.
Sie lernten sich 2001 auf einer Party kennen und begannen mit ihrer Zusammenarbeit.
Am Anfang hatten sie eine einvernehmliche sexuelle Beziehung.
Araki baute sie öffentlich in den folgenden Jahren als „Seine Muse“ auf, veröffentlichte und verdiente mit ihren Fotos viel Geld.

KaoRi bemängelte an ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit, dass sie kein Mitspracherecht bei den Veröffentlichungen und keinerlei finanzielle Beteiligung am Verkaufserlös hatte.
Araki, so KaoRi sinngemäß, habe auf Nachfrage lediglich erwidert, sie könne doch froh sein, dass er ihr Aufmerksamkeit widmet und sie fotografiert.
Ihr Fazit in dem Interview, sie habe sich auf künstlerischer Ebene missbraucht und ausgebeutet gefühlt.

Einen ähnlichen Konflikt soll es zwischen Man Ray und der Fotografin Lee Miller, welche als eine seiner Musen fungiert hat, über die Entwicklung der Solarisation gegeben haben. Beide hatten gemeinsam diese Technik entwickelt. Man Ray beanspruchte sie allerdings für sich selbst.

Bei diesem Aspekt des künstlerisch musischen Schaffens prallen kühle rechtliche Fragen auf die gefühlvollen, teilweise narzisstischen und manischen Arbeitsweisen zweier Kreativer oder Künstler aufeinander.

Dabei ist es doch gerade, der gefühlvolle künstlerische Aspekt, der den Kreativen inspiriert und die Menschen am „Mythos Muse“ fasziniert.
Wer will denn dabei etwas von rechtlichen oder monetären Fragen hören?

Zerstören Vertragsfragen nicht die künstlerische Atmosphäre?

Durch das Interview bekam ich die Idee für dieses Essay.

Um nicht zu einseitig zu sein, bat ich Fuchs, ohne Frage für mich eine Muse, aber auch gleichberechtigte Projektpartnerin, ihre Gedanken dazu zu formulieren.

Ich starte mit meinen Gedanken und Fuchs stellt dazu ihre Erfahrungen und Gedanken gegenüber.

Meine Gedanken:

Für mich ist eine Muse, eine vornehmlich weibliche Person, die mich in meiner Kreativität berührt und mich dazu inspiriert, mit ihr unablässig und über einen langen Zeitraum zu arbeiten.

In meiner fotografischen Entwicklung habe ich für mich zwei Arten von Musen kennengelernt. Die künstlerische Muse, wie Fuchs, mit der ich ausschließlich fotografische und andere künstlerische Visionen teile.

Die „andere Muse“ ist für mich eine solche, mit der ich auch eine intime Beziehung geteilt habe.
In solchen Musenbeziehungen vermischt sich für mich das „fotografisch/künstlerisch“ schaffende Werk mit dem privaten Leben. Teilweise vermischt sich diese Form zu einem leidenschaftlichen, vielleicht manchmal „manischen“ Lebensabschnitt,

Mit X. (Anonymus) – beiliegende Polaroids und Fotos – verband mich über Jahre solch eine leidenschaftliche Beziehung.

X. und ich schufen einige tausend Fotos in allen möglichen, auch intimen, Situationen.
Sie inspirierte mich zu meinem ersten lyrischen Text „Wir sind uns nah auch – auch in der Distanz“.

Ich lebte wie in einem manischen Rausch, veröffentlichte und veröffentlichte.
Obwohl wir uns so nah waren, machte ich sie zu einem Objekt oder einer Fiktion. Ich hob sie auf einen Thron.

Ging es wirklich noch um X. oder um meine Idee von ihr?

Hörte ich damals auf das, was sie mir dazu sagte?

Das manche unserer fotografischen Momente nicht in die Öffentlichkeit gehörten?
Nein!

Ich habe es nicht wahrgenommen. Der narzisstische Fotograf in mir ging über alles hinweg. Es zählte nur der gelebte leidenschaftliche und der nachfolgende künstlerische Prozess. Ich war mit unseren Bildern im Internet erfolgreich und nur das zählte für den Narziss.

Irgendwann trennten wir uns und sie untersagte mir, weitere Veröffentlichungen. Der Narziss in mir lief Sturm, aber es half nichts. Wir hatten keinen Vertrag.

Ich war wütend und verstand nichts. Unser Kontakt brach für lange Jahre ab. 

Erst dadurch und meine weiteren Erfahrungen verstand ich, was sie damals gesagt hat und wie sehr ich sie emotional verletzt hatte, indem ich ihr gar kein Mitspracherecht gegeben habe. Ihr ging es nicht um Geld oder Verbote, sie wollte am Prozess und den Entscheidungen beteiligt werden.

Heute haben wir wieder Kontakt und nach langen Gesprächen, in denen ich mich auch entschuldigt und reflektiert habe, darf ich unsere „gemeinsame Arbeit“ wieder veröffentlichen. Wir erfreuen uns gemeinsam daran.

 

Bei Musen wie Fuchs teilen wir nur den kreativen und künstlerischen Moment vom Beginn bis zur Veröffentlichung.

Mittlerweile achte ich bei meinen Projekten darauf, dass alle Bilder in gemeinsamem Einverständnis entstehen.

Bei vielen meiner fotografischen Arbeiten bin ich immer noch etwas „manisch“, vor allem „enthusiastisch“. Wie in einem Rausch.

Aber gerade diese Form von Leidenschaft mögen meine Projektpartnerinnen, denn das inspiriert auch sie.

Aufgrund meines „Verstehens“ und meiner Erfahrungen kann ich diesen leidenschaftlichen künstlerischen Moment leben und trotzdem klar und kommunikativ mit meiner Projektpartnerin alles durchsprechen, gemeinsame Entscheidungen treffen und durchführen.
Eine „Muse“ ist nicht nur ein Objekt, eine Geschichte oder eine Leinwand.
Sie ist eine menschliche Partnerin in einem Schaffensprozess.

Die Gedanken von Fuchs:  

Charakteristisch für eine Muse ist für mich, dass dieser Mensch in der Lage ist, andere zu beflügeln, kreative Prozesse anzustoßen und in Kooperationen neue Wege einzuschlagen. Das, was dann passiert, ist ein kreativer Austausch, der nur so und ausschließlich zwischen den beteiligten Personen stattfinden kann.

Fotografie war für mich von Beginn an ein Kommunikationsmittel und der Prozess bis zu den Endresultaten immer besonders wichtig. Dabei steht das Zwischenmenschliche, die sogenannte „Chemie zwischen zwei Personen“ immer im Fokus.

Das dadurch entstehende Vertrauen bildet die Basis für die langfristige Zusammenarbeit. Immerhin machen so viele Dinge das Foto als Ergebnis aus. Ich spreche dabei aus meiner Sicht vor der Kamera von Bildauswahl, Blickwinkel, Bildschnitt, Lichtsetzung, Bearbeitung, Kommunikation und Transparenz der nachfolgenden Prozesse. Dazu gehört viel Vertrauen. Ebenso bei meinem Gegenüber, da ich mit meinen Ideen, Inszenierungen, Ausdruck, Bewegungen und Entscheidungen diesen Prozess ebenso beeinflusse und das Bild damit verändere. Natürlich ist man vor der Kamera man selbst oder auch Projektionsfläche. Je nachdem welches Resultat erreicht werden soll.

Die Fotografie ist da, wie jedes andere Medium, vielschichtig.

 

Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen seit nun fast 9 Jahren vor der Kamera kann ich für mich sagen, dass die Erfahrungen unterschiedlich sind, die man in den Jahren macht.

Und auch, dass jeder anders damit umgeht.

Ich kann nachvollziehen, dass polarisierende Charaktere die Kraft besitzen können, jemanden in zwischenmenschliche Positionen zu drängen, die man nicht einnehmen möchte und dann eventuell den Moment verpasst, in dem es gut gewesen wäre, etwas zu sagen und seine eigenen Rechte und Grenzen zu verteidigen. Das benötigt oft Mut für sich selbst und seinen eigenen Schutz zu sorgen. Genau deshalb ist eine gute und klare Kommunikation wichtig und auch die Gewissheit, dass der Aufwand für Vorsorge meist geringer ist, als im Nachhinein Dinge zu richten oder klarzustellen.

Dies gilt für beide Seiten. Denn manches beginnt schon mit der Nennung, der Veränderung des Bildes oder einem einfachen Missverständnis und reicht bis hin zu Anteilen oder Entscheidungen bezüglich Veröffentlichungen.

Und je intensiver die kreative Zusammenarbeit ist, desto schneller können Entscheidungen die persönliche Ebene ankratzen oder verletzen.

Fazit:
Eine Muse ist nicht nur eine „Kunstfigur oder Geschichte“. Sie ist eine wirkliche Person, mit der man gemeinsam intensive kreative Prozesse durchläuft.

Diese Prozesse können manisch und emotional sein, aber dies darf nie Entschuldigung für das „narzisstische Außerachtlassen der Person“ sein, denn Kreativität und Kunst bedeuten auch Disziplin. Und diese Disziplin sollte dafür genutzt werden, durch Kommunikation die Beteiligung aller zu gewährleisten.

Denn durch diesen gleichberechtigten gemeinsamen Austausch entstehen stärkere Arbeiten und Werke.

Eben „Musische Werke“!
Das Fräulein Fuchs
Alexander Platz

Quelle:

„When an Erotic Photographer’s Muse Becomes His Critic“
Ein Interview By Motoko Rich von KaoRi, New York Times, May 5, 2018

Abbildungen „brennpunkt“ mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers